Römer 3,21-28

(Kurz-)Predigten im Gottesdienst-Experiment „Vier Pfarrer auf einen Streich“ in der Peterskirche Murr am Sonntag, 12. Februar 2017 - Septuagesimae

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Manfred Baral, Pfarrer

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Matthias Maier, Pfarrer

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Volker Hommel, Pfarrer

Gestern. Samstagnachmittag. Die Konfis aus Murr treffen sich im Gemeindehaus Oase. Zum „Spiel des Lebens“. In fünf spannenden Spielen müssen die Konfis Leistungen erbringen — und sich möglichst viele Bonbons verdienen. Lebens-Punkte sozusagen. Immer wieder werden die Vorräte verglichen: Was hast du schon gesammelt? Wie viel hast du schon?

Jetzt folgt die letzte und entscheidende Runde. In der steht alles auf dem Spiel. Wenn die Konfis den letzten Schritt erfolgreich gehen, dann gehören alle Bonbons endgültig ihnen. Wenn sie versagen, ist alles verloren.

Die Konfis bekommen die Augen verbunden, werden in einen Raum geführt. Sie bekommen einen Auftrag: Finde das Kreuz, das hier irgendwo versteckt ist. Wenn du dieses Kreuz entdeckst und greifst, ist alles gewonnen. Das ist dein entscheidender Schritt.

„In Jesus Christus kommt Gott dir neun von zehn Schritten entgegen. Nur noch den zehnten und letzten Schritt, den musst du selbst gehen. Du musst Gottes Geschenk nur noch für dich persönlich annehmen.“

… das war lange Zeit meine Vorstellung von Gottes Gnade …

… und von unserem Predigttext in Römer 3 …

„[D]er Mensch […] [wird] gerecht […] ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ [Römer 3,28]

… das heißt doch, dachte ich: Ich kann mir mein Leben mit Gott nicht durch gute Taten verdienen, …

… ich muss nur noch an Jesus glauben. Und damit sein Werk für mich in Anspruch nehmen.

… ich muss nur noch an Jesus glauben. Ich muss. Da ist immer noch ein „Muss“.

… und mit diesem „Muss“ hatte ich das Entscheidende verpasst, glaube ich. Denn wenn der Weg zum Leben mit Gott von meinem Glauben abhängt, … dann tritt doch an die Stelle der guten Taten … der Glaube. Und der Glaube ist dann nichts anderes als ein Werk. Eine Leistung. Ein Verdienst. Nur ein neues Wort für dieselbe Sache.

… und dann bringt es mir auch nichts, wenn der Glaube nur der letzte Schritt ist. Denn es bleibt der entscheidende Schritt. Und dann ist es egal, wie viele Schritte Gott vorher schon auf mich zugegangen ist. Denn es hängt immer noch alles an mir.

… natürlich kann man jetzt drehen an diesem Bild, um Gottes Gnade vermeintlich größer zu machen: „Gott kommt dir 99 von 100 Schritten entgegen …“ Aber das ändert ja letztlich nichts. So klein mein letzter Schritt auch sein mag – es bleibt der entscheidende Schritt …

„[D]er Mensch […] [wird] gerecht […] ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“

In diesem Satz, wie Paulus ihn meint und wie Martin Luther ihn verstanden hat, ist Glaube nicht die Voraussetzung für ein Leben mit Gott. Nicht die Bedingung. Sondern Glaube ist die Art und Weise, wie wir Gottes Gnade begreifen. Durch den Glauben, im Glauben, als Glaubende werden wir gerecht. Und der Glaube ist bereits Gottes Geschenk an uns.

Gnade heißt: Nicht wir müssen Gott finden. Sondern in Jesus findet Gott uns. Er kommt uns alle Schritte entgegen — und alle weiteren Schritte gehen wir gemeinsam mit ihm.

… sind damit alle Fragen geklärt? Natürlich nicht. „Warum glauben dann nicht alle Menschen?“ — „Warum erfahren nicht alle Menschen Gottes Gnade?“ — „Ist Glaube vorherbestimmt?“ Solche Fragen bleiben. Aber sie dürfen uns nicht in Versuchung führen, Gottes Gnade klein zu machen. Sie abhängig zu machen von unserem letzten Schritt. Das ist heute meine Botschaft für fünf Minuten.

Gestern. Samstagnachmittag. Beim „Spiel des Lebens“.

Die Konfis tasten sich durch den Raum. Vorsichtig, mit verbundenen Augen. Aber mit einem klaren Auftrag: Finde das Kreuz, das hier irgendwo versteckt ist. Wenn du dieses Kreuz entdeckst und greifst, ist alles gewonnen. Das ist dein entscheidender Schritt.

Was die Konfis noch nicht wissen: Sie können gar kein Kreuz finden in diesem Raum. Es gibt keines, das sie selbst entdecken können. Sie können den entscheidenden Schritt also gar nicht tun.

Ein paar Minuten vergehen. Manche Konfis kriechen jetzt sogar über den Boden, tasten in jeder Ecke. Dieses Kreuz muss doch zu finden sein! Erste Ungewissheit macht sich breit.

Da kommen die Mitarbeitenden ins Spiel. Sie gehen vorsichtig auf die Konfis zu. Machen den entscheidenden Schritt. Greifen die Konfis an der Hand. Und legen jeder und jedem ein Kreuz in die Hand.

Wenig später sehen die Konfis wieder. Und sie sehen ihre Bonbons von vorher. Die Lebens-Punkte. Die gehören endgültig ihnen. Aber die verdienten Bonbons, die sind nur noch ein kleines Detail. Sie sind Teil eines großen Festessens. Wir nehmen Platz am reich gedeckten Tisch. Und feiern miteinander Gottes Gnade.

Amen.

Daniel Renz, Pfarrer