Kircheneintritt und Kirchenaustritt

„Glauben Sie an Gott?“ Vielleicht können Sie diese Frage gar nicht eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Schließlich gehören Glaube und Zweifel untrennbar zusammen. Deshalb ist in der christlichen Kirche auch Glaube „auf Probe“ möglich, Glaube in unterschiedlich intensiven Abstufungen.

Als Organisation ist aber auch die christliche Kirche angewiesen auf die Unterscheidung von Mitgliedern und Nichtmitgliedern. In die Kirche – in unserem Fall: in die Evangelische Kirchengemeinde Murr an der Murr und zugleich in die Evangelische Landeskirche in Württemberg – können Sie deshalb eintreten. Wir brauchen Sie! Und genauso haben Sie die Möglichkeit, wieder auszutreten.

Auch den zweiten Schritt wagen

„Ich bin ausgetreten aus der Kirche.“

Ab und zu sagt mir das jemand. Nach langem Anlauf oder ganz unvermittelt, in einem längeren Gespräch oder zwischen Tür und Angel.

Und dann höre ich.
Von Kirchen-Oberen, die viel forderten, nur nicht von sich selbst.
Von offiziellen Verlautbarungen, die nicht schmeckten.
Von Predigten ohne Relevanz für Sonntag und Alltag.
Von lieblos abgespulten Trauergottesdiensten.
Von Pfarrern, die auf der Straße nicht grüßten.
Von Freunden, die ganz anders dachten über das Leben und die Welt.
Von eigenen Glaubenszweifeln.
Auch von der Kirchensteuer, natürlich.

Ich mag solche Gespräche.
Weil das Thema Kirchenaustritt viel zu oft verschämt verschwiegen wird.
Weil Kritik hilfreich sein kann, wo man sie offen äußert.
Weil es ja tatsächlich gute Gründe geben kann, einer Gemeinschaft den Rücken zu kehren.
Weil einer klaren Entscheidung Respekt gebührt.

Und weil manchmal prompt deutlich wird: Die Perspektive hat sich wieder geändert im Lauf der Zeit. Neues ist passiert.
Da war der Konfirmationsgottesdienst der Nichte überraschend gut.
Die Kirche findet passende Worte in politischen Krisen.
Oder man merkt: Nachhaltig verändern lässt sich ein System nur von innen her. „Heute würde ich das nicht mehr machen …“

Wie wäre es dann, wieder einzutreten in die Kirche? Das würde ja heißen: Ein zweites Mal konsequent sein. Auch auf dem Papier wieder dazugehören. „Ja“ sagen zur Taufe, die ihre Gültigkeit nie verloren hat. Und offen sein für die Wendungen, die das Leben mit Gott eben schreibt. Oder Gott mit dem Leben.

Immer wieder passiert das. Menschen wagen auch den zweiten Schritt. Die Tage war es wieder soweit bei uns. Und dann habe ich doppelt Respekt.

„Gedanken zum Sonntag“ von Daniel Renz, Pfarrer, erschienen am 4. Juni 2016 in der Marbacher Zeitung

Fragen und Antworten zum Kircheneintritt und Kirchenaustritt finden Sie hier.